Das UKJ koordiniert ein europaweites Forschungsnetzwerk, in dem 15 Nachwuchswissenschaftler das Zusammenspiel von Darmbakterien und Hirnfunktion untersuchen
„Darm-Hirn-Achse“ nennt die Wissenschaft die Wechselwirkung von Verdauungs- und Denkorgan und beginnt gerade erst zu verstehen, wie vielfältig diese ist. Denn die als Darmflora oder Mikrobiom bezeichnete Gesamtheit der Bakterien im Darm spielt eine weitaus größere Rolle als nur die des Hilfsarbeiters für die Nahrungsverarbeitung. Das Mikrobiom moderiert Immunprozesse, Studien belegen zudem einen Zusammenhang von Änderungen der Darmflora mit psychischen und neurodegenerativen Erkrankungen. Auch für die Lernfähigkeit des Gehirns spielt das Darmmikrobiom eine wichtige Rolle. An der Erforschung der Signalwege und der Ursache-Wirkungsbeziehungen dieser komplexen Wechselwirkung beteiligt sich auch das UKJ.
„In dem von der EU geförderten Netzwerk ITN SmartAge untersuchen 15 Doktorandinnen und Doktoranden in zehn Ländern, ob und wie Maßnahmen, die auf die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen abzielen, auch die Darmflora beeinflussen“, erklärt Prof. Dr. Otto W. Witte, der das Netzwerk koordiniert. Zwei Projekte in Jena beschäftigen sich mit Sport und Bewegung - Aktivitäten, die die kognitiven Fähigkeiten im Alter nachweislich fördern. Raphaëlle Petit aus der Arbeitsgruppe von Dr. Christiane Frahm untersucht, wie sich Bewegung bei Mäusen, wie z.B. Laufen im Laufrad, auf das altersabhängige Wechselspiel von Darm und Gehirn auswirkt. „Wir hoffen, einen Einfluss auf das Darmmikrobiom, auf die Barrierefunktion der Darmschleimhaut und auf Entzündungsprozesse nachweisen zu können“, so die Doktorandin aus Frankreich.
Simon Schrenk der in Österreich Psychologie studiert hat, geht in seinem Promotionsprojekt in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Kathrin Finke einer ähnlichen Fragestellung bei Menschen nach: In Kooperation mit der Sportmedizin der FSU führt er eine Studie mit Personen im Alter von 60 bis 75 Jahren durch und testet Maßnahmen, die die geistige Fitness älterer Menschen unterstützen sollen. Dabei interessieren ihn nicht nur die Wirkungen von Ausdauerübungen und gezielter Entspannung auf die kognitive Gesundheit, sondern auch die Effekte für Darmflora und Immunsystem.
Die Studieneingangstests bestehen aus einer MRT-Messung, einem umfassenden körperlichen Fitnesstest, kognitiven Untersuchungen wie Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests sowie Stuhlanalysen. Dann absolvieren die Studienteilnehmer in zwei Gruppen acht Wochen lang ein Ausdauertraining bzw. Entspannungsübungen. Im Anschluss wiederholt sich das Untersuchungsprogramm mit MRT, Fitnesstest, kognitiven und Labortests. „Die Teilnehmer kommen bemerkenswert gut mit den Online-Anleitungen und den Pulsuhren zurecht“, erzählt Simon Schrenk. „Wir schließen jetzt die letzten Probanden ein und sind zuversichtlich, bis zum Frühjahr alle Daten sammeln und dann auswerten zu können.“
Für diese Auswertung wird auch das am UKJ entwickelte und auf MRT-Daten basierende BrainAGE-Verfahren eingesetzt, das das individuelle Hirnalter bestimmen kann. Ein „älteres“ Gehirn bei Erwachsenen weist dabei auf erhöhte Risiken für kognitive Beeinträchtigungen und neurodegenerative Erkrankungen hin. Die iranische Bioinformatikerin Tannaz Saraei aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christian Gaser untersucht dabei, ob körperliche Aktivität das Hirnalter positiv beeinflusst und die Alterung verlangsamen kann.
„Wir wollen neue Ansätze finden, wie sich das Darmmikrobiom gezielt beeinflussen lässt, um den Abbau der Hirnleistung im Alter zu verlangsamen“, fasst Prof. Witte das übergeordnete Ziel des Forschungsnetzwerkes zusammen. In einer Zwischenevaluation bescheinigte die EU jüngst, dass das SmartAge-Konsortium erfolgreich in einem zukunftsträchtigen Forschungsfeld unterwegs ist.
Weitere Informationen: www.uniklinikum-jena.de/etnsmartage