Beckenverletzungen stellen mit einer Häufigkeit von 3-20 Fällen pro 100.000 Einwohnern in Deutschland eine sehr seltene aber zumeist schwerwiegende Erkrankung dar. Die Verteilung der Patienten zeigt zwei Altersgipfel mit nicht nur unterschiedlichen Unfallmechanismen, sondern auch unterschiedlichen Behandlungskonzepten. Zwischen das 20. Lebensjahr sind es größtenteils Hochrasanztraumen wie Verkehrunfälle und Stürze aus größerer Höhe, wobei die Beckenverletzung zumeist als führende Komponente eines komplexen Verletzungsmusters des Skelettsystems zu werten ist und heute in der Mehrzahl der Fälle eine operative Behandlung erfordert. Ein zweiter Altersgipfel liegt geschlechtsabhängig bei Männern um das 50. bzw. bei Frauen um das 85. Lebensjahr, wobei es sich hier in der Mehrzahl der Fälle um Altersfrakturen aufgrund einer reduzierten Knochenqualität im Rahmen eines einfachen Sturzes handelt, welche vorwiegend konservativ therapiert werden können.
Das Ziel in der Behandlung von Beckenverletzungen ist eine frühzeitige Mobilisation des Patienten, um die Risiken und Komplikationen einer mehrwöchigen Bettruhe wie Gelenkeinsteifungen mit Abbau der Muskulatur, Blutgerinnselbildungen im Gefäßsystem, Lungenentzündungen, Druckstellen der Haut und nicht zuletzt eine psychische Dekompensation des Patienten zu vermeiden. Während es sich bei den Altersfrakturen in der Mehrzahl der Fälle um stabile Frakturen handelt, die eine frühzeitige Mobilisation unter entsprechender Schmerzmedikation erlauben, liegt bei den Hochrasanztraumen vermehrt eine instabile Beckenfraktur vor, die insbesondere bei der Beteiligung des Hüftgelenkes eine anatomisch exakte Reposition und stabile operative Versorgung mit Schrauben und Platten erfordert.
Aufgrund der komplexen dreidimensionalen Beckengeometrie mit unmittelbarer Nähe zu wichtigen Nerven- und Gefäßbahnen für die Beine und die Schamregion sind hier zumeist ausgedehnte operative Zugänge mit großen Hautschnitten erforderlich, um die Implantate unter Schonung dieser Strukturen sicher einzubringen. Neben dem initialen Trauma werden diese Zugänge für einen Großteil der postoperativen Beschwerden verantwortlich gemacht.
Minimal invasive Behandlungsalternativen bieten eine Reihe von Vorteilen und stellen einen unserer Forschungsschwerpunkte im Bereich der Beckenchirurgie dar. Hierfür wird mit Hilfe des Computers anhand der Röntgenbilder und Computertomographien des jeweiligen Patienten zunächst die ideale Schraubenlage geplant . Anschließend werden die Schrauben Computer-navigiert über einen kleinen Hautschnitt von 2-3 cm eingebracht, wobei die Bewegungen der Instrumente und Implantate lückenlos virtuell kontrolliert werden können.
Das Prinzip ist hierbei vergleichbar mit bekannten Navigationssystemen im Automobilbereich: Der Computer gibt Position und Route vor, der Fahrer lenkt das Fahrzeug mit Hilfe dieser Vorgaben. Analog dazu zeigt der Computer die Position der Bohrer und Implantate an, der Chirurg operiert unter Zuhilfenahme dieser Informationen weiterhin eigenhändig.