Bereits kurz nach der Geburt erhält Martin Merkert durch das Neugeborenenscreening die Diagnose „PKU“, Phenylketonurie, und wird damals noch in Berlin behandelt. Bei der angeborenen Stoffwechselkrankheit ist der Eiweißstoffwechsel gestört, sodass die Aminosäure Phenylalanin nicht vollständig abgebaut werden kann. Damit schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen verhindert werden, beginnt für ihn schon als wenige Tage alter Säugling eine strenge und spezielle Diät, bei der er weitestgehend auf eiweißhaltige Lebensmittel verzichten muss. Normales Brot und Nudeln, Milch und Fleisch sind Tabu. Der 40-Jährige erinnert sich: „Meine Mutter hat die Kost für mich immer streng abgewogen. Ich musste eine spezielle Aminosäuremischung als Pulver oder später als Tabletten zu mir nehmen.“ Als Jugendlicher wurde das immer mehr zur Belastungsprobe und er fand 2008 in Jena, zunächst in der Kinderklinik und seit 2020 in der Sprechstunde für Erwachsene mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen der Klinik für Innere Medizin III, nicht nur Hilfe, sondern die entscheidende Therapie, die ihm ein „normales Leben“ ermöglichte.
Dank einer speziellen Enzymersatztherapie mit dem Wirkstoff Pegvaliase, die deutschlandweit nur an wenigen Kliniken eingesetzt wird, kann er heute eiweißhaltige Lebensmittel ohne Einschränkungen genießen. Diesen spritzt er sich täglich unter die Haut, überwacht zusätzlich selbst seine Phenylalanin-Werte durch Trockenbluttests und besucht weiterhin regelmäßig die Jenaer Erwachsenensprechstunde zur Kontrolle und Beratung. Am UKJ ist er der erste Patient mit PKU, bei dem die Enzymersatztherapie erfolgreich eingesetzt wurde. „Durch die Spritze wird das Phenylalanin in zwei Abbauprodukte gespalten, die den Phenylalanin-Spiegel im Blut senken“, erklärt Oberarzt Dr. Sebastian Schmidt, der die Sprechstunde gemeinsam mit PD Dr. Nicolle Müller leitet. Doch die neue Therapie war mit potentiellen Nebenwirkungen und einer sorgfältigen Abwägung verbunden. Bisher werden in Jena nur drei Patienten auf diese Weise behandelt. „Allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock hätten möglich sein können. Unsere Patientinnen und Patienten wie Martin Merkert müssen gerade zu Beginn der Therapie immer eine geschulte Begleitperson in der Nähe und ein Notfallset mit Adrenalin-Pen und Notfallausweis dabei haben“, weiß Nicolle Müller. Seit der ersten Spritze sind zwei Jahre vergangen. Eine Therapieoption, die Martin Merkert bis heute nicht bereue, im Gegenteil. „Ich hatte zum Glück nur leichte Gelenkschmerzen nach den ersten Spritzen. Ich kann heute beispielsweise ganz normal ins Restaurant gehen. Das bringt neue Freiheit und Lebensqualität.“ Natürlich achtet er trotzdem weiter auf seine Ernährung. Die jahrelange strenge Diät schwingt doch immer nochmal im Kopf mit. Doch als einer von 55 PKUPatientinnen und -Patienten am UKJ möchte er auch anderen Mut machen. „Ich bin froh, dass ich die Therapie gewagt habe.“