Seit sein großer Bruder Oskar in den Kindergarten kam, war Phillip Gemeinhardt immer öfter krank. Mit nicht einmal einem Jahr – als er gerade mit seiner zweiten Lungenentzündung innerhalb weniger Wochen im Heimat-Krankenhaus behandelt wurde – stellten die Ärzte fest, dass seine Blutwerte auffällig waren. Die Suche nach der Ursache begann. Doch erst umfangreiche Gentests und eine Knochenmarkpunktion am UKJ gaben ihm und seiner Familie Aufschluss: Phillip leidet an einem seltenen Gendefekt, einer Mutation des Gens SAMD9L, die bei ihm das Myelodysplastische Syndrom, kurz MDS, ausgelöst hat. Bei dieser Erkrankung vermehren sich die Stammzellen im Knochenmark aufgrund der zugrundliegenden genetischen Veränderung unkontrolliert, an reifen weißen Blutkörperchen mangelt es. Die Folge: Seine Immun-Abwehr ist stark geschwächt.
„Bisher war eine Stammzelltransplantation für die Betroffenen die einzige Therapieoption. Seit neustem wissen wir dank unserer Kollegen des MDS-Studienzentrums in Freiburg, dass bestimmte Formen des MDS auch spontan selbst heilen können“, beschreibt Dr. Karim Kentouche, Oberarzt an der Jenaer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, die überraschende Erkenntnis. Familie Gemeinhardt musste sich entscheiden. „Muten wir Phillip den Wahnsinnseingriff einer Stammzelltransplantation zu oder warten wir einfach ab?“, erinnert sich Melanie Gemeinhardt, Phillips Mutter, zurück. Gemeinsam mit den Ärzten entschieden sie sich fürs Warten – auch mit der beruhigenden Gewissheit, dass Bruder Oskar ein passender Stammzellspender wäre. Anderthalb Jahre mit größter Vorsicht vor Erregern und mit regelmäßigen Verlaufskontrollen von Blut und Knochenmark später bestätigen die neusten Tests in der kinderonkologischen Ambulanz am UKJ: Phillips Blutwerte sind tadellos und im Knochenmark können keine schadhaften Zellen mehr nachgewiesen werden. Sein Körper hat die entarteten Zellen bekämpft. Damit das auch so bleibt und sich aus dem MDS künftig keine Leukämie entwickelt – denn das ist bei dieser Erkrankung möglich – , kontrollieren die Jenaer Kinderonkologen Phillips Werte weiterhin – aber in viel größeren zeitlichen Abständen als bisher.